„Südtangente" - Straßenbaugeschichte

 

Das Projekt „Südtangente“ [Karte Südtangente aktuell] besteht aus dem rechtsrheinischen „Ennertaufstieg“ und dem linksrheinischen „Venusbergtunnel“ mit der Rheinquerung „Südbrücke“. Dieses Projekt blickt auf eine jahrzehntelange Geschichte zurück. Es wurde geplant, als Bonn noch Hauptstadt und Bad Godesberg noch eine selbstständige Stadt war.

Viele Jahre war das Projekt kein Thema mehr – nun ist sie wieder da: Die „Südtangente“ ist erneut im aktuellen Bundesverkehrswegeplan (BVWP 2030) im „Weiteren Bedarf mit Planungsrecht“ enthalten. Vom Bund geplant als Ost-West-Achse zwischen A3 und A565 würde sie zu einer Fernverkehrsmagistrale mitten durch unsere Wohn- und Erholungsgebiete.

Die Zeiten, in denen es hieß „allen Platz für den Autoverkehr“ sind jedoch endgültig vorbei! Neue Mobilitätskonzepte müssen her! Aber die Politik hinkt der Entwicklung mal wieder hinterher - Unser Ziel ist es, die „Südtangente“ endgültig Geschichte werden zu lassen.

 

Die Geschichte der Verkehrsplanung – eine Geschichte der ehemaligen Bundeshauptstadt

Aus dem Süden Deutschlands anreisende Abgeordnete des Bundestags forderten bereits in den 1960er Jahren eine schnelle Verbindung durch das Siebengebirge nach Bonn. Bis 1990 wurden deshalb die Verbindungsstraßen von der Autobahn Köln-Frankfurt (A3) durch das Siebengebirge zur vierspurigen Bundesstraße im Rheintal (EB42 / A59) systematisch begradigt, erweitert und ausgebaut. Dies erfolgte auf Kosten der Wohn- und Aufenthaltsqualität vor allem in Ittenbach, Oberdollendorf und Niederholtorf wie auch auf Kosten des Naturschutzes im ältesten deutschen Naturschutzgebiet – dem Siebengebirge.

Mit dem Bau der Siegtalautobahn (A560) wurde jedoch die „Lücke“ geschlossen und das Siebengebirge als Durchfahrtsgebiet nach Bonn nicht länger benötigt. Die Siegtalautobahn verband nun die Bundesfernstraßen miteinander und die Arbeitsplatz-, Dienstleistungs- und Geschäftszentren an Rhein und Sieg sind auf dem Autobahnbogen um das Siebengebirge herum schnell erreichbar.

Es wäre nun an der Zeit gewesen, verkehrsberuhigende Maßnahmen an Landstraßen im Siebengebirgsraum vorzunehmen. Der Landesbetrieb Straßen NRW lehnt diese jedoch bis heute grundsätzlich ab, denn dies widerspreche aus seiner Sicht der Zweckbestimmung der Landstraßen. Damit widerspricht der Landesbetrieb jedoch seiner gesetzlichen Verpflichtung, die Belange des Naturschutzes (§ 2 Absatz 2 BNatSchG) und des gesunden Wohnens (§ 1 Absatz 6 Nr. 1 und Nr. 7 BauGB) zu berücksichtigen.

 

Bewertung der „Südtangente“ im Laufe der Zeit – Argumente für die Alternativen

ereiBts 1985 sprach sich der Zusammenschluss von Bürgerinitiativen rechts und links des Rheins gegen die „Südtangente“ aus und legte eine Unterschriftensammlung vor. Die „Südtangente“ blieb jedoch weiter in der Planung enthalten und der Rhein-Sieg-Kreises beauftragte das Planungsbüro von Prof. Reinhard Grebe mit der Begutachtung. Das Planungsbüro verwarf in seinem im Dezember 1993 veröffentlichten Gutachten den „Ennertaufstieg“ zunächst grundsätzlich wegen schädlicher Folgen für die Menschen und Natur im Siebengebirge. Es empfahl stattdessen ein "Bündel von Maßnahmen" verkehrsberuhigender und -lenkender Art, um die erforderliche Entlastung zu bewirken. Sorgfältig geplante Push-Pull-Effekte seien die Alternative. Während Push-Maßnahmen darauf abzielen, bestimmte Transportmodi relativ unattraktiver zu machen, soll mit Pull-Maßnahmen die relative Anziehungskraft bestimmter Modi erhöht werden.

Eine Umweltverträglichkeitsstudie aus dem Jahr 1998 wies dann auf folgendes hin: „Aufgrund [der] nur teilweise und ungenügend gegebenen Entlastungen der Verkehrsmengen im bestehenden Straßennetz mit den damit verbundenen geringen Reduzierungen der Lärm- und Abgasimmissionen im Bereich der Wohnbebauung wird in der ersten Priorität der sog. „Null-Variante“ aus sektoraler umweltfachlicher Sicht der Vorzug gegeben. Die zu erzielenden Verbesserungen im Bereich der bebauten Umwelt rechtfertigen nicht die zusätzlichen Beeinträchtigungen der unbebauten Umwelt“ (S.53/54).
Hinzu kämen Beeinträchtigungen durch Lärmimmissionen der bebauten Umwelt im Einzugsbereich der geplanten Trasse, die die Umweltbilanz noch weiter verschlechtern. In einem Memorandum kam der Verein 2002 zum Schluss, dass die Belastungen für Mensch und Umwelt demnach weit höher als die zu erwartenden Entlastungen an anderer Stelle wären.

Der „Ennertaufstieg“ war ursprünglich dreispurig geplant (im Wechsel zwei Fahrspuren bergauf, eine bergab). Der Verkehrsexperte Prof. Jürgen Gerlach hatte Ende der 1990er Jahren täglich 8.500 Kfz von der A3, Anschlussstelle Siebengebirge bzw. der neuen Anschlussstelle bei Birlinghoven (etwa je zur Hälfte), und ca. 15.000 Kfz vom Autobahnkreuz Bonn/Siegburg prognostiziert. Am 8. August 2011 wurde eine verkehrswirtschaftliche Untersuchung zur Mobilitätsentwicklung – Mobilitätsstudie 2011 – veröffentlicht, die inzwischen von 36.000 Kfz täglich ausging. Der prognostizierte überregionale Verkehr sollte also über die „Südtangente“ (durch Ennerttunnel über die Südbrücke weiter durch den Venusbergtunnel) mitten durch den „Bonner Kessel“ geleitet werden.

Die Mobilitätsstudie von 2011 berücksichtigte Zerschneidungswirkungen für die Naturschutzgebiete. Sie betrachtete jedoch nicht die Lärm- und Immissionsfolgen für die an der "empfohlenen" Trasse lebenden Menschen und die schadstoffrelevanten Folgen der Belüftung des „Ennerttunnels“ für das Naturschutzgebiet. Sie zweifelte aber an der Umsetzbarkeit: "Vor dem Hintergrund der geringen Chancen zur Priorisierung der Vorzugsvariante in der Bundesverkehrswegefinanzierung werden erneut kostengünstigere `kleinere Maßnahmen` in das Blickfeld der Entscheidungsträger rücken". Die Mobilitätsstudie 2011 forderte: "Die Kombination von `kleinen Maßnahmen` zu sogenannten `Push-Pull-Effekten` (Anreize zur Veränderung der Wege- und Verkehrsmittelwahl) sollte von den Entscheidungsträgern forciert werden." (S. 131). Alternativ wurden "Anreize zur Veränderung der Wege- und Verkehrsmittelwahl" empfohlen. Dies entsprach den Grebe-Vorschlägen aus dem Jahr 1993 sowie der Umweltverträglichkeitsstudie aus dem Jahr 1998. Der Verein schließt sich dieser Position an.

2003 wurde die Südtangente – auch aufgrund der umfangreichen Kampagne des Vereins – aus dem damals gültigen Bundesverkehrswegeplan entfernt. Sie ist nun jedoch erneut im aktuellen Bundesverkehrswegeplan 2030 aufgenommen, der im Dezember 2016 vom Bundestag verabschiedet wurde. Der Verein wird weiterhin gegen den Planungsauftrag kämpfen und die Alternativen darstellen.

 

Befürworter der „Südtangente“

Der Rhein-Sieg-Kreis (RSK) verweigert sich einem Interessenausgleich mit Bonn. Er setzt auf Beschleunigung des motorisierten Verkehrs durch den Bau der „Südtangente“. Damit folgt er dem Sankt-Florians-Prinzip und schiebt die Belastungen anderen zu. Gleichzeitig baut der RSK immer neue Wohngebiete im Siebengebirgsraum, ohne dass er für eine vernünftige ÖPNV-Anbindung Sorge trägt. Damit zwingt er seine Bürger – meist junge Familien – zur Anschaffung mehrerer Autos. Preisgünstig wohnen im RSK? Ein Trugschluss! 

Die IHK Bonn/Rhein-Sieg will mit der „Südtangente“ die Mobilitätskosten für einen Teil ihrer Mitglieds-Firmen (z.B. Spediteure) senken. Schäden und Belastungen für Mensch, Natur und Umwelt gehen nicht in deren betrieblichen Kostenrechnungen ein – diese Kosten trägt die Öffentlichkeit. Es gibt jedoch IHK-Mitglieder, die eine andere Position vertreten.

Der CDU Kreisverband Bonn votierte 2016 für die Südtangente mit beiden Teilen. Nur der CDU-Ortsverband Venusberg-Ippendorf sprach sich eindeutig gegen die Südtangente als Querspange von der Meckenheimer Autobahn im Westen bis zur A3 im Osten aus.

 

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